Jürg Halter:
Gemeinsame Sprache
Gedichte
Neuerscheinungen Frühjahr 2021: Empfehlung von Martin Bosshard
Die neuen Gedichte werfen kaleidoskopartig Schlaglichter auf unser Sein und unser Zusammenleben. Sie erzählen vom Gemeinsamen und vom Trennenden; melancholisch, mutig, zornig und auch ironisch. Die Gedichte sprechen von der Vereinsamung in Städten, vom Drogenrausch in den Clubs, sie beschäftigen sich mit streunenden Katzen, suchen nach der besten Gesellschaft, erkunden die Farbe Blau, erfinden das niemals niemanden verletzende Abc. Und immer wieder loten sie die Tiefen der Liebe aus.
Kunst
Wenn ich für meine Antwort auf die Frage,
ob ich von der Kunst leben könne,
jedes Mal Geld kriegte,
könnte ich alleine von dieser Frage leben.
Aber das wäre keine Kunst.
Defektes Leben
Wir sind krank nach uns selbst,
an den schönsten Orten der Welt,
lassen uns sagen, wo diese liegen,
sehnen in die Weite, sehnen uns matt.
Wir sparen uns für eine Zukunft auf,
um die wir uns selbst betrügen.
Wir treten besonnen ans Feuer,
niemals wollen wir brennen.
Wir verschwenden uns wohltemperiert,
betäubt von der Hitze, die uns fehlt,
warten wir – dass das wahre Leben beginne
(etwa nach der nächsten Eiszeit).
Solange wir unseren Tod verdrängen,
kommen wir nicht lebendig zur Wahrheit,
danach zu leben heißt zweifelsohne nicht
täglich vor Todesangst zu sterben.